Männer.ch fordert, im Rahmen einer laufenden Gesetzesrevision die Rechte der Väter zu stärken, die an ihrer biologischen Vaterschaft zweifeln. Doch die Parlamentarier wollen nicht.

Vater ist nicht gleich Vater. Es gibt die rechtliche und die biologische Vaterschaft, und die beiden müssen nicht übereinstimmen. Kommt ein Kind während der Ehe zur Welt, ist der Mann automatisch der Vater – rechtlich. Ob er es auch biologisch ist, interessiert die Behörden nicht. Dasselbe, wenn ein Mann seine Vaterschaft per Unterschrift anerkennt.

Schwierig wird es, wenn ein Mann Zweifel hat, ob er nicht nur der rechtliche, sondern auch der biologische Vater seines Kindes ist. Etwa, weil Indizien wie das Aussehen des Kindes oder eine Beziehung der Frau dagegen sprechen. Einen Vaterschaftstest darf er in diesem Fall nur durchführen lassen, wenn auch die Mutter des Kindes einverstanden ist. Ansonsten muss er die Vaterschaft gerichtlich anfechten, und das ist schwierig. Gesetz und Rechtsprechung sind heute restriktiv, wie auch ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesgerichts zeigt. Es hat die Beschwerde eines Vaters abgewiesen, weil dieser nicht innerhalb der gebotenen Frist geklagt hatte.

Menschenrecht versus Kindesschutz

Männer.ch, der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen, will das ändern. Eine Gelegenheit dazu böte die laufende Revision des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG), die Anfang Jahr von der nationalrätlichen Wissenschaftskommission (WBK) beraten wurde und am Montag erstmals ins Plenum kommt. Der Männerverband hat vor kurzem alle Kommissionsmitglieder angeschrieben mit der Forderung, den «Missstand» zu beheben: Das Recht auf Kenntnis der biologischen Elternschaft müsse zu jedem Zeitpunkt und unabhängig vom Einverständnis des anderen Elternteils gelten – sofern keine schwerwiegenden Gründe dagegen sprechen. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung sei ein Menschenrecht, es müsse umgekehrt auch für Eltern gelten.

Die Kommissionsmitglieder sehen das anders. «Der Schutz des Kindes geht vor», sagt die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz, die das Geschäft am Montagnachmittag als Kommissionssprecherin vertreten wird. Zu gross sei die Gefahr, dass das Kind und sein ganzes Umfeld in eine Lebenskrise gestürzt werde, wenn unvermittelt bekannt wird, dass sein Vater gar nicht der biologische Vater ist.

«Stossende Einzelfälle»

Auch SVP-Nationalrat Felix Müri (LU) steht der Forderung der Väter skeptisch gegenüber. Gegen den Willen der Mutter würde er einen Vaterschaftstest nicht verordnen wollen, sagt er: «Im Zweifelsfall für die Frau.» Zudem gibt Müri zu bedenken, dass man von wenigen stossenden Einzelfällen ausgehen müsse. Das ganze Gesetz nach ihnen auszurichten, erscheine ihm unverhältnismässig.

Über die Anzahl der Kuckuckskinder existieren naturgemäss nur Schätzungen, und sie divergieren stark. Manche gehen von einem Kind pro Schulklasse aus, andere von einem bis zwei Prozent aller Kinder, wieder andere von fünf bis zehn Prozent. In vielen Fällen kommt das Thema gar nie zur Sprache. Sei es, weil die Betroffenen nichts davon wissen oder weil sie allfällige Zweifel für sich behalten.

Martin Widrig, Jurist an der Universität Freiburg und Lektor am Lehrstuhl für Verfahren und Grundlagen des Rechts, hält die heutige Gesetzeslage für veraltet. «Früher hat es Sinn gemacht, unter allen Umständen einen rechtlichen Vater zu bestimmen. Denn wer wäre sonst für die Kinder aufgekommen?» Heute jedoch, wo Beziehungsformen äusserst divers und Trennungen normal geworden sind, wo die Gesellschaft insgesamt individualistischer und die Menschen eigenständiger sind, sollte seiner Ansicht nach das Recht auf Kenntnis der biologischen Elternschaft im Vordergrund stehen – zumal sich eine Vaterschaft heute viel einfacher abklären lässt.

Auffallend ist laut Widrig, wie restriktiv Gesetz und Gerichte sind, wenn ein Vater seine biologische Vaterschaft abklären lassen will – und wie schnell sie hingegen darin seien, bei fehlendem Vater einen rechtlichen Vater zu bestimmen. Meistens würden die Gerichte einen Mann zu einem Vaterschaftstest zwingen, wenn er sich weigert. Andernfalls ist es auch möglich, dass das Gericht ihn ohne DNA-Test zum gesetzlichen Vater macht.

Jemand muss für das Kind aufkommen

Widrig glaubt, dass finanzielle Interessen mitspielen. «Der Staat, und damit auch der Gesetzgeber, haben alles Interesse daran, einen rechtlichen und damit unterhaltspflichtigen Vater zu bestimmen.» Das zeige sich auch im neuen Unterhaltsrecht und in der Ausdehnung der Unterhaltspflicht für unverheiratete Väter. «Es entlastet der Staat, wenn es einen rechtlichen Vater gibt.»

Weiter sei es ein heikles Thema, zu dem viele Parlamentarier sich scheuten, klar Stellung zu beziehen. Und nicht zuletzt sei die Revision des GUMG ein so grosses Projekt, dass die partikularen Väterinteressen hier nicht im Vordergrund standen. (Tages-Anzeiger)

Quelle: https://bazonline.ch/schweiz/standard/Kuckucksvaeter-werden-nicht-gehoert/story/17941192